Interessanter Ansatz: Mehr Aussagen in Liquid Democracy

Eine interessante sonntägliche Lektüre flatterte mir über meine Twitter-Timeline hinein: Master-Student Andreas Veltens präsentiert ein „Strategiepapier“, wie in einem Liquid-Democracy-Komplex die kritische Masse besser vernetzt werden kann. Ich spare mir an dieser Stelle eine detaillierte Inhaltsangabe. Mit acht Seiten ist der Text angenehm kurz und kann selbst gelesen werden.

Veltens‘ grundsätzlicher Ansatz ist bedenkenswert: Ein technikunterstütztes Dialogverfahren müsse sich mehr über die Aussagen bilden und diese vernetzen, als wie bisher erst Menschen/Accounts zu vernetzen, die dann wiederum zu Aussagen kommen.

Zwei Dinge fielen mir aber auf:

„Das in meinen Augen am häufigsten (wenn auch meistens nur implizit) thematisierte Potential von Liquid Democracy bezieht sich auf die Demokratisierung bestehender Organisationen (vor allem von Parteien, wobei der Liquid Democracy e.V. beispielsweise auch offen für Vereine, Unternehmen etc. ist). So wichtig und begrüßenswert ich diese Anstre[n]gungen finde, so skeptisch bin ich im Bezug auf die Nutzung des revolutionären Potentials hinsichtlich der Veränderung der (Gesamt-)Gesellschaft, das mir durch den technologischen Fortschritt möglich scheint.“ (2)

Dem schließe ich mich (fast) an. Spontan würde ich aber an folgendem Punkt widersprechen: Technische Hilfsmittel (auch Software ist dies) können immer nur eine Hürde für die Beteiligung von Menschen senken. Nicht der technische Fortschritt verändert die Gesellschaft, sondern die Art, wie die Menschen damit umgehen, um ihre soziale Lebenswelt zu gestalten.

Ähnlich denke ich auch über den Abschnitt auf S. 6, wo Veltens als Perspektive entwirft, dass ein technikgestütztes Beteiligungssystem Übersetzungsleistungen zu vollbringen hat, um „Offline-Bürger“ mit ins Netzwerk zu holen.

Hier wird mir immer deutlicher, dass das falsch herum gedacht ist. Die Lücke gibt zwischen den „im Netz Lebenden“ und den „Anderen“ wird zweifelsfrei immer größer. Ich bezweifle, dass sich diese schließen lässt, indem die „Anderen“ herübergezogen werden. Vielmehr muss das „reale“ Sozialleben so gestaltet werden, dass es Schnittstellen zu Netzgesellschaft bekommt. Entscheidungen und Deliberationen sind nach meiner Meinung aber weiterhin an soziale Akteure im „Real Life“ anzudocken.

Die Substitution eines Diskurses auf der reinen Aussage-Ebene verkennt die Erfolgsfaktoren von Kommunikation, glaube ich. Gelingende Kommunikation geschieht selten reiin faktenbasiert. Das ist Wunschdenken. Gestik, Rhetorik, Erwartungen, Sympathien, Strategien, etc. spielen dabei eine Rolle. Dies lässt sich nur schlecht maschinell abbilden.

Literatur

Veltens, Andreas (2012): Thinking Beyond Liquid Democracy. Strategiepapier zur Vernetzung einer kritischen Masse. o.O. Online im Internet: https://docs.google.com/file/d/0B3Z5GduJGRlRdjMxSGtnMWpSdnlIODV1ZDJEaUpaZw/edit?pli=1 [Stand: 26.2.2012]

Interessanter Ansatz: Mehr Aussagen in Liquid Democracy