Gediegene Skepsis, um Internet-Beteiligung kleinzuhalten

Nun  sind es doch noch einige Tage mehr geworden, die ich den fälligen Blog-Beitrag zur Tagung Bürgerbeteiligung 2.0 der Herbert-Quandt-Stiftung, der Körber-Stiftung, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der kommunalen Spitzenverbände in Berlin aufgeschoben habe. Die Verarbeitung meiner Erlebnise dort fällt mir schwer. Das liegt vermutlich daran, dass mich die Skepsis überrascht hat, auf die die Unterstützung des demokratischen Prozesses durch das Internet dort stieß. Auch die gediegene Unkonkretheit, mit der das Thema in Berlin behandelt wurde, verunsichert mich. Bereits neun Jahre liegt meine Magisterarbeit „Ein neues Steuerungsmodell aus dem Internet?“ zurück, in der ich mich mit den Möglichkeiten beschäftigte, Bürgerbeteiligung per Internet zu unterstützen. Ist denn seitdem nichts wirklich vorangegangen? Weil mich all das so erstaunt hat, werden die folgenden Zeilen zunächst eine leicht ratlose Aufzählung von Merkwürdigkeiten, die mir aufgefallen sind. Ich hoffe, dass ich nach und nach auch inhaltlich das Erlebte nachbereiten werde. „Gediegene Skepsis, um Internet-Beteiligung kleinzuhalten“ weiterlesen

Gediegene Skepsis, um Internet-Beteiligung kleinzuhalten

Bürgerhaushalt Münster: Misstrauen der Politik?

Update 1.3.2013: Stadt Münster wirbt mit hoher Umsetzungsquote

Immer mehr Kommunen probieren mit dem Bürgerhaushalt eine spezielle Form der Bürgerbeteiligung aus. Bürgerinnen und Bürger bekommen die Möglichkeit, eigene Vorschläge für die Gestaltung des örtlichen Finanzplans einzureichen und diese öffentich zu diskutieren und zu bewerten. 71 Kommunen führt der 6. Statusbericht Buergerhaushalt.org vom Januar 2013 auf, die Bürgerhaushalte einführen.26 weitere führen ein solches Beteiligungsverfahren fort, immerhin 104 Städte und Gemeinden diskutieren die Einführung eines Bürgerhaushaltes (vgl. Schröter 2013: 1).

Münster hat 2011 den ersten Bürgerhaushalt aufgestellt, 2012 einen weiteren durchgeführt und dann per Ratsbeschluss eine Pause für 2013 beschlossen. 2014 soll es dann weitergehen (vgl. Stadt Münster 2013a, Stadt Münster 2013b). Wurde die Umstellung des Bürgerhaushaltes auf einen zweijährigen Rhythmus, die hinter der Aussetzung des 2013er-Verfahrens steht, mit der schlechten Finanzlage der westfälischen Metropole begründet, lässt ein Blick auf die Ergebnisse des Jahres 2012 gewisse Vorbehalte der Politik gegenüber den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger erkennen. „Bürgerhaushalt Münster: Misstrauen der Politik?“ weiterlesen

Bürgerhaushalt Münster: Misstrauen der Politik?

Digitale Demokratie: die bunte Mischung, die jedem etwas zu bieten scheint

„Digitale Demokratie“ ist der Trend in der aktuellen politischen Diskussion und war deshalb Grund genug für die Studenteninitiative „Weitblick“ in Münster, dazu eine Podiumsdiskussion an der örtlichen Universität auszurichten. Ein spannendes Thema, wüssten wir doch alle gern, was es mit dem hippen Terminus so auf sich hat. Auffällig ist beispielsweise, dass es keinen Wikipedia-Eintrag dazu gibt. Bei aller Vorsicht mit dem „Online-Lexikon“: Dies spricht für eine gewisse Unschärfe des Begriffs. Leider schafften es auch die Diskutierenden und die Moderatoren nicht, für mehr Klarheit zu sorgen. „Digitale Demokratie: die bunte Mischung, die jedem etwas zu bieten scheint“ weiterlesen

Digitale Demokratie: die bunte Mischung, die jedem etwas zu bieten scheint

Postdemokratie ist etwas für Endzeit-Fans

Das Theorem der Postdemokratie von Colin Crouch erfreut sich großer Beliebtheit in der demokratietheoretischen Diskussion. Zwei Bücher hat Crouch dazu bislang veröffenticht. Carsten Rehbein stellt sie auf e-politik.de vor (Rehbein 2012). Er verknüpft seine Schilderungen mit der steilen These, die Piratenpartei trage nichts zur Überwindung der postdemokratischen Verhältnisse bei, solang sie nicht neue demokratische Verfahren in den gesellschaftlichen Diskurs einbringe. Gleichzeitig spricht er der von der Piratenpartei geübten Partizipationspraxis diese Qualität schlicht ab.

Postdemokratie heißt: Bei nach außen intakten, die Demokratie auszeichnenden Instituten wie periodischen Wahlen, Wahlkämpfen, Parteienkonkurrenz oder Gewaltenteilung wird die Gesellschaft durch Staat, neoliberalen Markt und Großunternehmen ausgehölt. Strippenzieher und privilegierte Eliten kungeln die politischen Entscheidungen hinter dem Rücken des Volkssouveräns aus. Diese werden durch die Bevölkerung solang nicht kritisiert, wie sie vermeintlich objektivierbaren Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit entsprechen (vgl. dazu auch Jörke 2011; Wikipedia 2012).

Politik simuliere nur noch die Herrschaft des Volkes, während sie tatsächlich die Interessen der Großkonzerne vertrete. Crouch selbst sieht – so schildert es Rehbein – einen Ausweg nur, indem sich außerparlamentarische, zivilgesellschaftliche Pressure Groups bilden, die die Großkonzerne zurück auf den Weg der Tugend führen. Den Massenmedien vertraut er dabei nicht.

Das alles – Crouchs Thesen und Rehbeins Ausführungen – klingt sehr gefällig. Es passt auch so gut zum „Common Sense“, dass es Politikverdrossenheit gebe, die Gesellschaft immer weiter auseinanderdrifte und „die da oben“ sich sowieso nur um sich selbst kümmerten. Nur: Wer sagt eigentlich, dass diese Grundannahme zutrifft? „Postdemokratie ist etwas für Endzeit-Fans“ weiterlesen

Postdemokratie ist etwas für Endzeit-Fans

Verantwortung, Verständnis, Vertrauen: Bürgerbeteiligung zahlt sich aus

Vertrauen, Verständnis, Verantwortung – Sind diese Indikatoren gegeben, dann kann Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene erfolgreich sein. Auch finanziell! Anthony Zacharzewski von der britischen Democratic Society vertritt diese These in seinem jüngst veröffentlichten Whitepaper Democracy pays. How democratic engagement can cut the cost of government.

Ziel seiner Ausführung auf gut einem Dutzend Seiten ist es, die Bedenken zu zerstreuen, dass Bürgerbeteiligung aufwändig sei und gerade bei finanziellen Fragen nicht zum Ziel führe. Denn Bürgerinnen und Bürger würden tendenziell mehr als weniger Ausgaben fordern, wenn man sie frage. Unter der Voraussetzung, dass umfassend informiert und das Thema gut eingegrenzt wurde sowie Entscheidungsalternativen begründet präsentiert wurden, kämen beteiligte Bürger sehr wohl zu guten und vernünftigen Entscheidungen, setzt er dagegen (vgl. S. 11). „Verantwortung, Verständnis, Vertrauen: Bürgerbeteiligung zahlt sich aus“ weiterlesen

Verantwortung, Verständnis, Vertrauen: Bürgerbeteiligung zahlt sich aus

Veraltetes Kästchen-Denken bei der Enquete-Kommission

Die Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ bloggt. Seit Dezember 2011 werden dort informative Texte zum Tätigkeitsbereich der Kommission beim Bundestag veröffentlicht. Heute kam ich endlich dazu, den Text Die Bürger, der Staat und das Internet: Das große ‘E’ der Politik zu lesen. Er enthält als Autoren-Information leider nur „Redaktion“.

Der wohltuend kurze Text definiert die Begriffe „E-Government“, „E-Demokratie“ und „E-Partizipation“. Studierende künftiger Generationen werden diesen Text dankbar nutzen, denn offizieller und seriöser als von der Kommission kann man nötige Definitionen nicht bekommen.

Ich las. Und stutzte. Denn in dem Text heißt es:

„Denn die Beziehung zwischen E-Demokratie, E-Government  und E-Partizipation entspricht derselben hierarchischen Abstufung wie auch Demokratie, Regierung und Bürgerbeteiligung.“

E-Government wird demnach als der „E“-Teil des Regierens, also der Exekutive, und als Unter-Kategorie der E-Demokratie beschrieben. Es ist vor allem binnenadministrativ fokussiert und oft an Verwaltungsmodernisierungsbemühungen angedockt. Die Definition bezieht sich direkt auf die mehr als zehn Jahre alte Defintion von E-Government der Speyerer Hochschule für Verwaltungswissenschaften. E-Partizipation sei wiederum die zweite Unter-Kategorie der E-Demokratie. E-Demokratie ist also das große Ganze – irgendwie. E-Government wird „top down“ verstanden. E-Partizipation für die Bürgerinnen und Bürger wird durch die „Regierung“ von oben herab gewährt.

Das ist alles nicht falsch. Nur ist es nicht mehr wirklich aktuell, finde ich. Ich habe meine Magisterarbeit 2004 abgegeben. Schon damals fanden sich diese Kategorien in meinem definitorischen Teil (S. 102 – 108). Nur gab es auch damals schon Hinweise, dass diese Ansätze nicht mehr ausreichen. „Veraltetes Kästchen-Denken bei der Enquete-Kommission“ weiterlesen

Veraltetes Kästchen-Denken bei der Enquete-Kommission

Ungleiche Beteiligung nach der Demokratie?

„Postdemokratie“, das scheint das Modewort der 2000er-Jahre zu sein, wenn es um die Beschreibung der „angesagten“ gesellschaftlich-politischen Verfasstheit eines politischen Gemeinwesens geht. Damit scheint der von Colin Crouch geprägte Begriff den des „Dritten Weges“ (vgl. Giddens 1998) bzw. der „Neuen Mitte“ aus den 1990er Jahren abgelöst zu haben.

„Post“-Begriffe sind problematisch: Sie implizieren, dass es einen Zustand nach einer abgeschlossenen Ära gebe. Wir lebten also in der „Nach-Demokratie“, sagt der Postdemokratie-Terminus aus.

Es erscheint zweifelhaft, dass es jemals diesen idealtypischen Demokratiezustand gegeben haben könnte, aus dem dann – bei nach außen intakten, die Demokratie auszeichnenden Instituten wie periodischen Wahlen, Wahlkämpfen, Parteienkonkurrenz, Gewaltenteilung  – der scheinbar neue Zustand herausgewachsen ist. Strippenzieher und privilegierte Eliten kungeln demnach die politischen Entscheidungen hinter dem Rücken des Volkssouveräns aus. Politisches Handeln richtet sich nach dem Willen der privilegierten Eliten aus und wird durch die Bevölkerung solang nicht kritisiert, wie es vermeintlich objektivierbaren Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit entspricht (vgl. dazu Jörke 2011; Wikipedia 2012). War es denn schon jemals wesentlich anders? „Ungleiche Beteiligung nach der Demokratie?“ weiterlesen

Ungleiche Beteiligung nach der Demokratie?

Warum eigentlich Beteiligung?

Bürgerbeteiligung – Das klingt doch nur auf den ersten Blick sympathisch, oder? Denn „beteiligen“ heißt ja so etwas wie „mitmachen lassen“. Das ist etwas anderes, als etwas allein oder selber zu machen. Politische Beteiligung ist trotzdem wertvoll. Allerdings muss sie geregelt ablaufen und in feste demokratische Prozesse eingebunden werden. Ich vertrete die These, dass dann die Legitimitation politischer Entscheidungen steigt – und dass sie dann auch gerechter werden. „Warum eigentlich Beteiligung?“ weiterlesen

Warum eigentlich Beteiligung?

Themenband Postdemokratie von „Aus Politik und Zeitgeschichte“

Bereits seit einem Jahr finden interessierte Leserinnen und Leser lesenswerte Texte zum aktuellen Stand der Partizipations- und Demokratieforschung in der Ausgabe 1 vom 3. Januar 2011 der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Beilage zur Zeitung „Das Parlament“ hat „Postdemokratie“ zum Thema. Sieben Aufsätze und Essays fasst der Band zusammen. Die drei mir am interessantesten erscheinenden Beiträge stammen von Paul Nolte, Petra Böhnke und Dirk Jörke. „Themenband Postdemokratie von „Aus Politik und Zeitgeschichte““ weiterlesen

Themenband Postdemokratie von „Aus Politik und Zeitgeschichte“